Spotlight: Das Atlantis feiert Geburtstag - Rückblick zum Jubiläum

Dieser Text wurde im Rahmen des Arbeitsintegrationsprogramms von Parterre Tangram von einer am Programm teilnehmenden Person recherchiert, verfasst und auf der Website publiziert.

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Heute vor 74 Jahren, auf den Tag genau, wurde das Atlantis einst eröffnet. Es hat eine wechselvolle Geschichte voller Höhen und Tiefen durchgemacht und sich bis heute als eine Institution in der Basler Kultur- und Musikszene behauptet.

Zum Jubiläum nun möchten wir in diesem Beitrag einen Blick auf einige Highlights werfen – von den Anfängen bis heute.

 

Die Anfänge:

Das Atlantis geht auf die Brüder Kurt und Paul Seiler zurück, die schon damals auffallende Persönlichkeiten waren mit einem Lebensstil, der so gar nicht den vorherrschenden Moralvorstellungen entsprach – Originale eben, die aber in der Stadt was bewegten.

Der Grundstein fürs Atlantis wurde wohl bereits 1932/1934 gelegt, als Paul Seiler Reisen quer durch Nordafrika unternahm, finanziert durch sein gutgehendes Klaviergeschäft im Gundeli, und Erinnerungsstücke mit nach Hause brachte. Diese bildeten den Anfang seiner später umfangreichen und durchaus bekannten Sammlung an Objekten an Afrika.

1940 zog Bruder Kurt zu ihm ins Gundeli, der ein Talent fürs Geschäft, aber keine Lust auf eine Lehre oder Studium hatte. Pauls Wohnung platzte wohl da schon fast aus allen Nähten durch seine inzwischen umfangreiche Sammlung, die auch viele andere Afrika-Begeisterte anzog.

Das Atlantis an der SteinentorstrasseDer Zweite Weltkrieg stoppte allerdings erst einmal alle Pläne der beiden, doch hatten sie dadurch Zeit, sich eine geeignetere Lösung für die Sammlung zu überlegen und entwickelten so das Konzept für das Café Tropic. Es wurde noch 1940 eröffnet, und zog die Leute in Scharen an mit seinem exotischen Charme, der stark von Schwarzafrika geprägt war.

Nach Kriegsende konnte Paul wieder reisen, mehrheitlich durch Afrika, aber auch Brasilien und andere exotische Gebiete. Und natürlich brachte er von diesen Reisen wieder Objekte für seine Sammlung mit, womit bald wieder Platznot herrschte in der Wohnung. Also sahen sich die Brüder nach einer zweiten Liegenschaft um, und fanden diese in der Steinentorstrasse 4 – heute steht dort das ehemalige Kino Plaza. Kurt zog an diese neue Adresse, während Paul weiterhin im Gundeli wohnte.Innenansicht des Atlantis an der Steinentorstrasse im marokkanischen Dekor

Zu Beginn vermieteten sie das Erdgeschoss als eine Art Zwischennutzung an den Ambassador Club, in dem es manchmal recht wild zu und her ging, und auch schon mal die Polizei beschäftigte. Als der Club 1946 schliesslich wieder auszog, sahen die Brüder die Gelegenheit, die Räumlichkeiten für sich zu nutzen, und so entstand die Idee fürs Atlantis.

Am 30. April 1947 wurde das Atlantis als Café eröffnet, unterschied sich mit seinem leichten, marokkanisch angehauchten Stil aber erheblich vom Tropic. Und auch das Konzept war ein anderes – so war es als Ort für Live-Musik geplant, denn die beiden Brüder waren auch grosse Jazz-Fans.

Im Gegensatz zum Tropic brauchte das Atlantis allerdings ein paar Monate bis es schliesslich Erfolg hatte. Ganz besonders beliebt war das Lokal bei den Jugendlichen, die dort die gerade in Mode kommende Cola geniessen konnten und kostenlose Musik hören konnten.

Schnell hatte das Atlantis damals auch einen Spitznamen – "D’Moschee", was sich auf die nordafrikanische Einrichtung bezog. Heute erinnert vor allem noch der marokkanische Kronleuchter, der über allem thront, an den Stil der frühen Jahre.

 

Provisorium und Umzug an den Klosterberg

In den 1950er Jahren trieben die Behörden die Stadtentwicklung voran, um diese an die neuen Anforderungen des wachsenden Verkehrs anzupassen. Von diesen Plänen war auch die Steinentorstrasse betroffen, wo das Atlantis seiner Zeit war – das hiess, eine neue Liegenschaft musste gefunden werden.

Diese neue Liegenschaft war am Klosterberg schnell gefunden, wo Wilhelm Buser sein Kaufhaus loswerden wollte. Dabei war von Anfang klar, dass es keinen fliegenden Wechsel geben würde, da das Gebäude aus dem Spätmittelalter erst umgebaut und fürs Atlantis fit gemacht werden musste.

Das Atlantis am Klosterberg

Beim Verkauf seiner alten Liegenschaft an der Steinentorstrasse an die Stadt, hatte Kurt Seiler durchgesetzt, dass ihm die Behörden ein Provisorium zur Verfügung stellen mussten. Sie taten dies schliesslich auch, wenn auch etwas widerwillig und nach einigem öffentlichen Druck durch Kurt Seiler. So wurde ihm schliesslich eine Liegenschaft an der Elisabethenstrasse 58 zugewiesen – allerdings mit der Auflage, dass nur Gäste über 18 Jahre ins Lokal gelassen wurden, da das De-Wette-Schulhaus gleich um die Ecke lag.

Kurt Seiler zog mit Sack und Pack um, Alligator Hector inklusive.

Der Umbau selbst war aufreibend, da er viel Zeit, Geld, Nerven, und vor allem Arbeit in Anspruch nahm. Es war eine Zangengeburt, denn Seiler selbst konnte sich nicht auf eine Idee festlegen, kam immer wieder mit neuen und verwarf alte.

Doch am 30. November 1959 war es schliesslich soweit – das Atlantis wurde am Klosterberg feierlich eröffnet – mit Strömen von Champagnern.

 

Eine Besonderheit im Atlantis: Hector und Hulda

Die Gebrüder Seiler waren bekannt dafür, exotische Tiere in ihren Lokalen, dem Café Tropic und dem Atlantis, zu halten. So konnte man im Café Tropic eine 9m lange Python bestaunen, aber auch Skorpione, Riesenspinnen, tropische Fische und verschiedene Echsen. Doch eine der Hauptattraktionen waren die Alligatoren, die im Atlantis ausgestellt waren.

Auch wenn die Innenausstattung des Atlantis damals von Nordafrika inspiriert war, so stammen die Alligatoren keinesfalls vom afrikanischen Kontinent. Hector, Hulda und die beiden namenlosen Tiere waren Mississippi-Alligatoren, die Menschen gegenüber weniger aggressiv waren als z.B. Nilkrokodile.

Die Gebrüder Seiler hatten eine Liebe zu exotischen Tieren, aber damals war das Wissen um die artgerechte Haltung noch sehr beschränkt. So waren die Alligatoren am ersten Standort in der Steinentorstrasse in einem Terrarium direkt im Restaurantbereich untergebracht, wo die Besucher sie bestaunen konnten. Allerdings war das Terrarium viel zu klein für die Bedürfnisse der Alligatoren, und enthielt zudem kein Wasser. Dabei sind die Tiere territoriale Einzelgänger, und so war es nicht verwunderlich, dass sich Hector und Hulda nicht sonderlich mochten und sich sogar regelmässig angriffen.

Hulda starb schliesslich noch an der Steinentorstrasse, womit nur noch Hector übrig blieb. Er zog mit um an die endgültige Adresse am Klosterberg, wo er weiterhin in einem kleinen Terrarium neben der Bar untergebracht war, bis er 1972 ebenfalls starb.

Heute sind Hector und Hulda in präparierter Form wieder im Atlantis ausgestellt – Hulda wacht über die Bühne, während Hector über der Bar hängt. Auch das Logo des Atlantis ist eine Hommage an die Alligatoren, auf Anstoss von Onorio Mansutti.

 

Musik war und ist zentral

Die Gebrüder Seiler waren grosse Jazz-Enthusiasten, und so war von Anfang an für das Atlantis das Konzept geplant, täglich von früh bis spät Live-Musik zu spielen. Die Bühne des Atlantis war ein Nährboden für die aufkommende junge Basler wie Schweizer Jazz-Szene, wie etwa George Gruntz, Elsie Bianchi und ihr Trio oder auch Bruno Spoerri.

Doch daneben traten auch afroamerikanische Jazzmusiker im Atlantis auf, wie etwa Don Gais oder Joe Turner oder Champion Jack Dupree, die damals die ersten Schwarzen waren, mit denen das Publikum in Kontakt kam und die für Begeisterung sorgten.Jazzpianist Joe Turner an am Piano

Jazz war in den 1940er und 1950er Jahren die Musik der Jugend, welche die energetischen Sounds mit Schlagzeug, Kontrabass, Piano, Saxofon, Trompete, Posaune, verschlungen in Rhythmen und Improvisationen, begierig aufsaugten. Das bürgerliche Etablissement hingegen lehnte diese neue Musik schroff ab – sie war für diese nichts anderes als „Negermusik und Urwaldlärm“ vor denen die Jugend geschützt werden musste.

Jazz war damals die Musik der Rebellen und fand im Atlantis eine Heimat.

Offbeat Festival auf der Atlantis-Bühne

Aus der Liebe zum Jazz erwuchsen über die Jahre auch mehrere Jazz-Festivals – so etwa die Basler Jazzwoche, die bis in die 1990er Jahre sehr beliebt war. Oder aber auch das Festival Off Beat, das aus der von Urs Blindenbacher organisierten Konzertreihe Jazz in Basel entstand, und heute in Zusammenarbeit mit der Jazzschule Basel eines der grössten Festivals in Basel ist.

Das Atlantis blieb über lange Jahre seinen Wurzeln treu, öffnete sich aber auch neuen Musikrichtungen, wie etwa dem in den 1960er Jahre aufkommenden Rock in all seinen Formen. Der Auftritt von Black Sabbath im Atlantis kurz vor ihrem Durchbruch Anfang der 1970er Jahre etwa ist vielen bis heute im Gedächtnis geblieben, oder die Auftritte der Mundartbands, wie etwa Polo Hofer und seine Rumpelstilz, oder Span, und auch Züri West.

In den 1980er Jahren war das Atlantis einer der Adressen für Livemusik in der Schweiz, und gaben gerade den lokalen Basler Bands eine Bühne und so wichtige Erfahrungen – und die erstarkten in dieser Zeit besonders, etwa die Lazy Pokers Blues Band um Cla Nett, oder Trashcats, Bo Katzman, oder die heute noch auftretende Gruppe D’Schmiir.Blues Caravan 2019 im Atlantis

In den 1990er Jahren schlug man musikalisch neue Wege ein, auch um am sich wandelnden Puls der Zeit zu bleiben, aber vor allem, um den Weg aus einer Krise zu finden. So fanden etwa Clubbing und DJ’s den Weg ins Atlantis.

Seit mehreren Jahren sticht das Atlantis aber wieder als Konzertlokal mit toller Atmosphäre und grossartigen Künstlern hervor, mit einem Fokus auf Jazz und Blues – ganz im Geiste des einstigen Besitzers und Jazz-Enthusiasten Kurt Seiler.

 

Wer noch mehr in die Geschichte des Atlantis eintauchen möchte, dem sei das wunderbar illustrierte Buch „Atlantis Basel: Kult und Kultur seit 1947“ von Marc Krebs und Christian Platz empfohlen, das 2017 vom Christoph Merian Verlag herausgegeben wurde.

 

Auf die nächsten 74 Jahre voll Leidenschaft und guter Musik!


30.04.2021

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