Atlantis Roots: Cola - Ein bisschen Freiheit für 50 Rappen

Dieser Text wurde im Rahmen des Arbeitsintegrationsprogramms von Parterre Tangram von einer am Programm teilnehmenden Person recherchiert, verfasst und auf der Website publiziert.

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„Wie oft haben wir dort die Schule geschwänzt und Cola getrunken. Coca Cola.“

Viele ältere Menschen in Basel erinnern sich an den Genuss einer Cola im Atlantis Jugendliche, wenn man auf das Lokal zu sprechen kommt. Es war damals ein kostbares Gut, ein kleines Stück Freiheit und weite Welt, an dem die jungen Atlantis-Besucher oft stundenlang nippten. Oder sie versteckten das halbleere Fläschchen in einer Ecke bevor es ins Kino ging oder ähnliches, um es dann bei der Rückkehr wieder aus der Ecke zu holen.

Denn 50 Rappen pro Fläschchen waren für Jugendliche damals viel Geld, und die Serviertöchter im Atlantis hatten stets ein Auge darauf, ob ein Fläschchen leer war oder nicht, und forderten schnell eine neue Bestellung wenn es so war.

Für den Cola-Lieferant Delisca AG war das Atlantis wohl einer der besten Kunden, wurden doch damals täglich an die 600 bis 700 Flaschen verkauft. Dafür bekam Kurt Seiler in den 1950er Jahren vom Coca-Cola Hauptsitz in Atlanta (USA) eine Prämie und ein Zertifikat, das gleich stolz im Lokal aufgehängt wurde.

Dabei war das Atlantis, in den ersten Jahren nach seiner Eröffnung 1947, eines der einzigen Lokale in der gesamten Nordwestschweiz, in denen Coca-Cola überhaupt erhältlich war. Dahinter stecken mehrere Faktoren – der grösste vermutlich der Boykott der lokalen Wirte, und daneben wohl auch ein bisschen Angst vor einer grossen „Amerikanisierung“ der Schweiz.

Der Wirteverein Basel-Stadt schaltete dabei kurz nach der Gründung von Delisca AG mehrere Inserate in lokalen Zeitungen, wo sie darauf hinwiesen, dass die „schweizerische Getränkewirtschaft uns und unseren Gästen eine so reichhaltige Auswahl von guten Getränken zur Verfügung stellt, dass wir es nicht nötig haben, diese durch eine mit einem amerikanischen Konzentrat hergestellte Limonade verdrängen zu lassen“. Daneben seien auch Arbeitsstellen im Bereich der Getränkeherstellung in Gefahr durch diese Konkurrenz.

Die Delisca AG konterte mit einem Inserat, wo sie auf das „Recht der freien Wahl“ hinwiesen, dass es jedem freigestellt sei, zu trinken was man wolle. Interessanterweise war hier die Öffentlichkeit auf der Seite von Delisca AG und gegen das Monopol-Verhalten der lokalen Getränkehersteller. Ein bisschen Konkurrenz würde sie doch aushalten. Nach einem Rechtsstreit fand man schliesslich eine Einigung.

Kurt Seiler bewies wohl schon damals, dass er seinen eigenen Kopf hatte, da er sich nicht dem Boykott anschloss, sondern Coca-Cola praktisch gleich ins Sortiment aufnahm. Das von Coca-Cola propagierte Weltbild passte sehr gut zum coolen Image, das der Jazz wie auch das Atlantis bei den Jugendlichen hatten.


Quelle:

Marc Krebs, Christian Platz: Atlantis Basel: Kult und Kultur seit 1947, Christoph Merian Verlag, Basel, S. 65, 2017.

„Coca-Cola als Landesgefahr:“ Wirteverein kämpfte gegen Basler Abfüllerei,  Barfi.ch. 2018.


11.12.2020

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